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Pflege geht uns alle an - Die SPD-Bundestagsfraktion aktiv in Mariendorf

Das Thema gute Pflege brennt vielen Menschen auf den Nägeln. Rund 100 Interessierte sind zur Fraktion vor Ort-Veranstaltung „Pflege ist Zukunft“ am 18. November 2014 mitten im Mariendorfer Kiez gekommen. Viele von ihnen sind in der Berliner Pflegelandschaft aktiv, viele BürgerInnen kamen mit konkreten Fragen und Anliegen, viele Mitglieder der Mariendorfer SPD kamen, um dritte darüber aufzuklären, was sich in der Pflege tut. Zur Diskussion im Seniorenwohnhaus Rudolph-Wissell-Haus hatte ich kompetente AkteurInnen aus der Pflegelandschaft Tempelhof-Schönebergs eingeladen: Ariane Rausch vom Pflegestützpunkt Tempelhof-Schöneberg, Thorsten Schuler, Koordinator der Kontaktstelle PflegeEngagement und Roswitha Ball, Leiterin des ambulanten Pflegedienst im NUSZ der ufaFabrik.

Zu meiner Freude hat meine Bundestagskollegin Ute Finckh-Krämer die Einführung in die Debatte sowie die Moderation der Diskussion übernommen. Ute Finckh-Krämer ist SPD-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf. Sie betonte, dass gute Pflege in Steglitz-Zehlendorf ein immer wichtiger werdendes Thema ist, denn es ist Berlins ältester Bezirk. Hier wohnen die BerlinerInnen mit dem höchsten Durchschnittalter. 

In ihrem Eingangsstatement verwies Ute Finckh-Krämer auf einige Trends: Wir werden gesünder älter. Die Menschen wollen länger in ihren eigenen vier Wänden leben. Unsere Gesellschaft wird bunter und vielfältiger. Mit dem schon beschlossenen Pflegestärkungsgesetz 1 haben wir bereits darauf reagiert, und auch mit unseren weiteren Gesetzesvorhaben werden wir die richtigen Weichen stellen.

In meiner Präsentation habe den Handlungsbedarf im Bereich Pflege deutlich gemacht. Jeder zweite Mann und zwei von drei Frauen werden pflegebedürftig. In der älter werdenden Gesellschaft steht der steigenden Anzahl der Pflegebedürftigen ein Mangel an Pflegefachkräften gegenüber. Zwei Drittel der Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt und wünschen sich so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. Allein in Berlin wird ein Anstieg von pflegebedürftigen Personen von rund 100.000 auf 170.000 bis zum Jahr 2030 prognostiziert.

Mit dem Pflegestärkungsgesetz 1 werden nun endlich die Leistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige verbessert. Das von uns im Deutschen Bundestag am 17. Oktober 2014 beschlossene Gesetz tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Alle Leistungsbeträge der Pflegeversicherung werden um vier Prozent angehoben. Für die häusliche Pflege werden die Leistungen um rund 1,4 Milliarden Euro erhöht. Um dies zu finanzieren wird der Beitragssatz zum 1. Januar um 0,3 Prozentpunkte erhöht.

Mir ist der Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation vor Pflege“ außerordentlich wichtig. Ebenso die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf und Familie. Ein neues Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf wurde bereits vom Kabinett am 15. Oktober 2014 auf Initiative der Sozialdemokratinnen Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, beschlossen. Besser miteinander verzahnt werden die bestehenden Gesetze zur Pflegezeit und Familienpflegezeit. Sie werden gemeinsam weiterentwickelt. Auch dieses neue Gesetz soll zum 01. Januar 2015 in Kraft treten.

Unabhängige Pflegeberatung in den Pflegestützpunkten

In Berlin bieten 28 Pflegestützpunkte Beratung rund um die pflegerische Versorgung für die BürgerInnen an. In Tempelhof-Schöneberg gibt es zwei Pflegestützpunkte. Ariane Rausch vom Pflegestützpunkt Tempelhof in der Reinhardtstr. 7 stellte anschaulich dar, was ein Pflegestützpunkt alles leistet. Die Beratung umfasst die Vorbereitung auf den Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), Hinweise zum fahrbaren Mittagstisch, Mobilitätsdienste, Wohnen im Alter, Vorsorgevollmacht, PatientInnenverfügung, Heimberatung u.v.m.. Die Pflegestützpunkte bieten sowohl telefonische Beratung als auch Sprechstunden an. Das Wichtigste ist, dass die MitarbeiterInnen der Pflegestützpunkte unabhängig beraten. Ermöglicht wurden der Rechtsanspruch auf unabhängige Beratung sowie die Einrichtung von Pflegestützpunkten durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz von Ulla Schmidt aus dem Jahr 2008.

Unterstützung von pflegenden Angehörigen

Die Kontaktstelle PflegeEngagement berät pflegende Angehörige und vermittelt Ehrenamtliche, erklärte Thorsten Schuler. Er koordiniert die Kontaktstelle PflegeEngagement Tempelhof-Schöneberg. Das heißt konkret, dass die Ehrenamtlichen den Pflegebedürftigen vorlesen, gemeinsam mit ihnen auf den Friedhof gehen, Biographiearbeit machen und vieles mehr. Hier steht der soziale Aspekt im Vordergrund. Schuler wies daraufhin, dass die ehrenamtliche Arbeit nicht haushaltsnahe Dienstleistungen oder gar pflegerische Leistungen umfasst.

Wichtige Aufgaben sind auch die Information von Ratsuchenden, die Vernetzung mit den Akteuren vor Ort, zum Beispiel mit den Pflegestützpunkten. Dieses Jahr wurde mit dem Stadtteiltreff „Der Nachbar“ in der Cranachstr. 7 in Friedenau ein neues Projekt gestartet. Hier können sich Pflegebedürftige treffen und soziale Kontakte ermöglicht werden. Entstehen soll eine Art „verlängertes Wohnzimmer“.

Ein offener Pflegestammtisch trifft sich regelmäßig in der Kiezoase Schöneberg in der Barbarossastr. 65. Das ist ein Angebot für pflegende Angehörige. Hier können sie ihre Erfahrungen austauschen.

Über ihre guten Erfahrungen in der Balance zwischen der Arbeit der Pflegefachkräfte und der Ehrenamtlichen berichtete Roswitha Ball. Sie leitet den ambulanten Pflegedienst im NUSZ der ufaFabrik in Tempelhof. Dieser ambulante Pflegedienst verfolgt den Ansatz „Pflege aus einer Hand“: Eine Pflegefachkraft übernimmt sowohl die pflegerischen Dienste als auch die haushaltsnahen Dienstleistungen. Das stärkt das Vertrauensverhältnis zwischen Pflegefachkraft und der pflegebedürftigen Person. Aber ambulante Pflegedienste können nicht alles leisten. Die KollegInnen wollen nicht im Minutentakt arbeiten.

Angeboten wird auch ein kostenloser Besuchsdienst durch ehrenamtliche HelferInnen zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen. Ehrenamt muss aber Ehrenamt bleiben, erklärte Roswitha Ball. Die ehrenamtlich Tätigen erhalten Anerkennung zum Beispiel durch Leistungen der ufaFabrik.

Ohne zivilgesellschaftliches Engagement, ohne Ehrenamt wäre die Gesellschaft ein großes Stück ärmer. Ehrenamtliche Arbeit ist sinnstiftend. Aber es dürfen nicht alle Aufgaben auf Ehrenamtliche abgewälzt werden, betonte auch Thorsten Schuler. Wichtig zu wissen: Alle ehrenamtlichen HelferInnen sind Unfall- und Haftpflicht versichert.

Positive Aspekte des Pflegestärkungsgesetzes

Von den Anwesenden sehr begrüßt wurde, dass mit dem Pflegestärkungsgesetz 1 endlich mehr Entlastungsmöglichkeiten für Angehörige geschaffen werden. So ist die Anspruchnahme von Tagespflege besser möglich, denn sie braucht als Sachleistung nicht mehr angerechnet werden. Das ist zum Beispiel für die Tagespflege in Tagesgruppen eine wichtige Voraussetzung. In Tagesgruppen werden 10-16 pflegebedürftige Personen betreut. Diese Tagespflege ist wichtig, damit pflegebedürftige Menschen länger zu Hause wohnen bleiben können. Sie bedeutet auch eine Entlastung für die pflegenden Angehörigen. Denn gerade die Entlastung der Angehörigen ist das A & O, betonte Ariane Rausch.

Den Ausbau der niedrigschwelligen Betreuungsleistungen lobte Roswitha Ball, Leiterin des ambulanten Pflegedienstes beim NUSZ in der ufaFabrik. Positiv hervorgehoben wurde von Thorsten Schuler, dass die zusätzlichen Betreuungsleistungen auch für nicht an Demenz erkrankte Menschen gelten.

Aufgrund der Gesetzesänderungen rechnet Ariane Rausch mit einem erhöhten Beratungsbedarf. Pro Pflegestützpunkt sind derzeit 2,5 MitarbeiterInnenstellen vorgesehen. Eine bessere personelle Ausstattung aufgrund des steigenden Beratungsbedarfs wäre wünschenswert.

Herausforderungen für die Pflege - neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff ist notwendig

Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ist dringend nötig. Das wurde nicht nur von den ReferentInnen, sondern auch in vielen Diskussionsbeiträgen gefordert. Wir wollen mit dem Pflegestärkungsgesetz 2 die Pflegebedürftigkeit aller Menschen, sowohl derjenigen mit somatischen aber auch derjenigen mit kognitiven und psychischen Erkrankungen umfassender anerkennen. Es gilt die Situation der Pflegebedürftigen, der Angehörigen als auch der in der Pflege Beschäftigten zu verbessern. Wir werden den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff auf der Grundlage der Empfehlungen des ExpertInnenbeirats in dieser Legislaturperiode so schnell wie möglich einführen und zur Umsetzung bringen. Insbesondere Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen erhalten damit bessere und passgenauere Leistungen. Diejenigen, die heute bereits Leistungen erhalten, werden durch die Einführung nicht schlechter gestellt.

Mehr Anerkennung für Pflegefachkräfte

Pflegefachkräfte brauchen mehr Anerkennung und müssen besser bezahlt werden für ihre Arbeit, die für unsere Gesellschaft so wichtig ist. Deswegen haben wir den Pflegeschlüssel verbessert. Und wir haben als SPD in den Gesetzesverhandlungen mit der Union durchgesetzt, dass Tariflöhne in Pflegegüteverhandlungen von Kostenträgern nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt werden dürfen. Angesichts unterschiedlicher Pflegeschlüssel und unterschiedlicher Standards in den Bundesländern forderte Michael Musall von ver.di einen bundeseinheitlichen Personalschlüssel. In der Diskussion kam auch die Frage auf, wie der verbesserte Personalschlüssel in stationären Einrichtungen von 1:20 durchgesetzt und kontrolliert wird.  Auch darauf werde ich bei der Umsetzung des Gesetzes mein Augenmerk richten.

Reform der Pflegeberufe ist überfällig

Es muss vieles getan werden, um die Verweildauer der Pflegefachkräfte im ihrem Beruf zu verlängern. Der Fachkräftemangel droht nicht nur, er steht vor der Tür. Ein wichtiger Baustein um hier gegenzusteuern ist die Einführung eines Pflegeberufegesetzes. Die Diskussion hierzu soll 2015 beginnen. Die Tatsache, dass Auszubildende in der Altenpflege für ihre Ausbildung in einigen Bundesländern noch Schulgeld zahlen müssen, gehört endlich abgeschafft. Wir planen eine generalistische Pflegeausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss. Wir sichern damit mehr Durchlässigkeit, mehr Aufstiegschancen und Freiheit bei der Auswahl des Beschäftigungsgeldes.

Qualität der Pflegeeinrichtungen

Die BewohnerInnen von Pflegeeinrichtungen werden immer älter, eine Folge der immer längeren ambulanten Pflege im häuslichen Umfeld. In eine Pflegeeinrichtung kommen viele Pflegebedürftige mit einer mittleren Demenzerkrankung, wenn sie eine Rundumversorgung benötigen oder wenn Unterstützung auf dem letzten Lebensweg unerlässlich ist.

Um die Qualität in den Pflegeeinrichtungen machen sich viele Menschen Sorgen. Das wurde auch in unserer Diskussion deutlich. In Tempelhof-Schöneberg gibt es 21 Pflegeeinrichtungen. Die Heimaufsicht prüft anlassbezogen und ohne Vorankündigung bei den Heimen. Ariane Rausch appellierte: „Wenn Sie einen Missstand bemerken, sprechen Sie mit der Pflegedienstleitung.“ Wenn keine Verbesserung eintritt, sollte bei der Heimaufsicht Beschwerde eingelegt werden. Es kann auch Kontakt zu den Pflegestützpunkten aufgenommen. Unangemeldete Kontrollen sind gesetzlicherseits erwünscht.

Vorsorge für ein selbstbestimmtes Leben treffen

Auch das Thema Betreuungsrecht wurde angesprochen. Hier sind wir alle aufgerufen uns Gedanken für den Fall der Fälle zu machen. Mit einer Vorsorgevollmacht und einer Patientenverfügung können wir für den Fall vorsorgen, dass ein selbstbestimmtes Handeln nicht mehr möglich ist. Auf der Webseite des Bundesjustizministeriums sind viele Informationen zu finden. Aber auch die MitarbeiterInnen der Pflegestützpunkte können hier kompetent beraten.

Gute Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Die Pflege darf nicht länger gesellschaftlich stigmatisiert werden, betonte Thorsten Schuler. Viel zu häufig werden die Pflege und die hier Beschäftigten in den Medien negativ dargestellt. Das wird der Arbeit der Pflegefachkräfte und dem Engagement der Ehrenamtlichen nicht gerecht.

Gute Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bezahlbarer Wohnraum ist unerlässlich. Und ein barrierefreies bzw. barrierearmes Bauen muss eine Selbstverständlichkeit werden. Noch ist die Schnittstelle zwischen Pflege und Eingliederungshilfe eine große Herausforderung.

Das Pflegestärkungsgesetz 1 ist die erste Stufe einer großen Reform der sozialen Pflegeversicherung und der Pflege in dieser Legislatur. Dazu gehören weiterhin unter anderem das Pflegestärkungsgesetz 2, das Pflegezeitgesetz, das Pflegeberufegesetz und die Reform des Pflege-TÜVs.

Sie können sich darauf verlassen - ich bleibe am Ball!

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