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Wem gehört die Stadt? Sie gehört uns, den Berlinerinnen und Berlinern!

Fraktion vor Ort-Veranstaltung zum Thema Mieten am 13. Juni 2016 in Marienfelde

Bezahlbare Wohnungen werden knapper. VermieterInnen zwingen MieterInnen mithilfe von Sanierungen aus ihren Wohnungen. Die Gentrifizierung zerstört soziale Milieus. Schlagworte dieser Art werden immer lauter in der MieterInnenstadt Berlin. Mieten bestimmen die soziale Stadtgestaltung, Wohnen ist Menschenrecht. Inmitten dieser lauten Stimmen wird deutlich: Mieten geht uns alle an. Und deshalb habe ich es zum Thema gemacht.

Unter der Fragestellung „Wem gehört die Stadt?“ habe ich am 13. Juni 2016 im Dorothee-Sölle-Haus/Evangelisches Gemeinde- und Familienzentrum in Berlin-Marienfelde eine Fraktion vor Ort-Veranstaltung zusammen mit meinem Kollegen Klaus Mindrup, Bundestagsabgeordneter für Pankow und Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, veranstaltet. Als langjährig aktives Mitglied der Wohnungsbaugenossenschaft Bremer Höhe stellte er die Instrumente der Bundes- und Landespolitik vor, um bezahlbare Mieten für alle zu erreichen. Barbara von Neumann-Cosel, Geschäftsführerin des Berliner Genossenschaftsforums e.V., ging speziell auf Potenziale genossenschaftlichen Bauens ein. Sie stellte gelungene Modelle Berliner Wohnungsbaugenossenschaften vor. Ingo Siebert, Kandidat für die kommende Abgeordnetenhauswahl am 18. September, berichtete von seinen Eindrücken aus den Gesprächen mit BürgerInnen in Marienfelde. Es schloss sich eine spannende Diskussion über die aktuelle Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt an. Besonders gefreut hat mich, dass verschiedene VertreterInnen von Wohnungsbaugenossenschaften, Gewerkschaften und Vereinen im Gespräch ihre Sicht und Ideen eingebrachten. Sie alle sorgten für eine lebendige Diskussion über ein höchst aktuelles Thema. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich.

Mietpreisbremse erster Schritt - aber es gibt noch mehr zu tun

Dass die Mieten in Berlin drastisch steigen, ist leider kein neues Problem. Um gegen diese Entwicklung vorzugehen, sind auf Bundes- und Landesebene schon eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Klaus Mindrup legte als Kern des Problems dar, dass die Mietpreise in Berlin im Vergleich zum Einkommen unverhältnismäßig schnell ansteigen. Die Folgen sind soziale Verdrängungseffekte. Auf einen anderen Treiber der Mieterhöhungen wurde ebenfalls deutlich hingewiesen: energetische Sanierungen. Oft nehmen VermieterInnen energetische Sanierungen bzw. Modernisierungen vor, und begründen damit gravierende Miethöhungen. Auf diese Weise seien schon ganze Häuserblöcke „entmietet“ worden.

Diese Situation brachte die sogenannte Mietpreisbremse auf den Plan. Die SPD verankerte diese schon 2013 im Koalitionsvertrag und setzte sie dann auch im Bundestag durch. Seit dem 1. Juni 2015 gilt die Mietpreisbremse auch in Berlin. Die Mietpreisbremse regelt zwei zentrale Aspekte:

  • Zum ersten ist festgelegt, dass die Miete bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen in gefragten Wohnlagen höchstens 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf.
  • Zum zweiten wurde das sogenannte Bestellerprinzip eingeführt: „Wer bestellt, der zahlt!“. Bestellen VermieterInnen MaklerInnen, sind diese auch von den VermieterInnen für ihre Vermittlungsaufwände zu honorieren. Die Honorare dürfen nicht, wie bisher üblich, auf die MieterInnen abgewälzt werden.

Beide Maßnahmen sind bereits wichtige Schritte in Richtung einer gerechteren Miete.

Es muss aber mehr unternommen werden - nicht zuletzt, weil die Mietpreisbremse nicht in zufriedenstellender Weise wirkt: Unter anderem informieren VermieterInnen die neuen MieterInnen gegenüber nicht über die Höhe der Vormiete. Diese Auskunftspflicht war im Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) enthalten - musste im parlamentarischen Verfahren aber auf Druck der CDU/CSU-Fraktion wieder gestrichen werden. Maßgeblich verantwortlich für die Streichung war der CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak aus Lichtenrade.

Schärfung der Mietpreisbremse - eine Berliner Bundesratsinitiative

Wir SozialdemokratInnen finden uns damit aber nicht ab. Ich begrüße daher die von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) initiierte Bundesratsinitiative zur weiteren Schärfung der Mietpreisbremse. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller hat sich dazu wie folgt öffentlich geäußert: „Der Senat will einen Gesetzentwurf zur Dämpfung der Mietentwicklung und zur wirksamen Verfolgung von Mietpreisüberhöhungen beim Bundesrat einbringen. Mit der Berliner Gesetzesinitiative soll die Mietpreisbremse wirksamer ausgestaltet und der Mietanstieg bei bestehenden Mietverhältnissen wirkungsvoll begrenzt werden. Mieterschutz ist gerade in Berlin grundlegend für den Erhalt lebendiger Kieze. Noch greift die Mietpreisbremse nicht so wie geplant. Mit der Bundesratsinitiative streben wir eine Korrektur an, um eine finanzielle Überforderung der Mieter zu verhindern." 

Das „Miete II-Paket“ schafft Rechtssicherheit für VermieterInnen und MieterInnen

Der Referentenentwurf zur weiteren Novellierung des Mietrechts, erarbeitet von Bundesjustizminister Heiko Maas, soll für alle mehr Rechtssicherheit schaffen.

In der Diskussion wurde deutlich, dass es auch am Berliner Mietspiegel noch hakt. Dieser soll die ortsübliche Vergleichsmiete abbilden. Jedoch ist mit nur 4 Jahren der Bezugszeitraum viel zu kurz. Im „Miete-II-Paket“ ist vorgesehen, zur besseren Darstellung den Zeitraum auf 8 Jahre zu erhöhen. So können Mietschwankungen besser berücksichtigt werden. Geplant ist ebenfalls ein Sicherheitspaket für MieterInnen. Gerade die häufig zur Durchsetzung extremer Mieterhöhungen genutzte Modernisierungsumlage soll nach dem Wunsch der SPD abgesenkt werden. VermieterInnen ksollen ihre jährliche Miete nur um 8 Prozent rhöhen können, statt der bisherigen 11 Prozent. Geplant ist weiterhin eine Kappungsgrenze. Unsere Verbesserungsvorschläge wurden auf der Veranstaltung intensiv diskutiert – und für gut befunden. Das ist auch ein großer Ansporn für mich, denn der Widerstand seitens der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich bereits formiert.

Hunderttausend Mietwohnungen für Berlin schaffen

Ein weiteres Streitthema ist der Neubau von Wohnungen. Klaus Mindrup machte deutlich, dass Wohnungsneubau mit hohen Kosten verbunden ist, die nur mit dem Einsatz öffentlicher Gelder erschwinglich sei. Neu gebaute Wohnungen würden immer teurer sein als Bestandswohnungen. Deswegen ist es richtig, dass der Berliner Senat durchgesetzt hat, dass Wohnungsneubau nur genehmigt wird, wenn mindestens 25 Prozent Sozialwohnungen entstehen. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften tragen hier eine besondere Verantwortung. Bis Ende dieses Jahres werden bereits 300.000 Wohnungen im städtischen Bestand sein. Das sind 30.000 mehr als vor 5 Jahren. Vor dem Hintergrund der wachsenden Stadt Berlin plant die SPD weitere 100.000 städtische Mietwohnungen in den nächsten zehn Jahren. Schließlich ziehen jedes Jahr 40-50.000 Menschen nach Berlin. Sie alle brauchen ein Dach über dem Kopf.

Genossenschaftliches Wohnen - eine solidarische Lösung

„Wir dürfen nicht nur über Neubau reden, sondern müssen auch an die Bestandswohnungen ran“, betonte Mindrup. Als langjähriger „Doppelgenosse“ hat er viel Erfahrung in dem Bereich. Bereits seit 16 Jahren, seit der Gründung, ist er Mitglied der Wohnungsbaugenossenschaft „Bremer Höhe“ im Prenzlauer Berg. Der Kernbestand der Genossenschaft beläuft sich auf eine Anzahl von 450 Wohnungen. Diese hätten bezahlbare Mieten: Mit 5,50 € pro Quadratmeter liegt der Preis weit unter den Durchschnittswerten von 5,84 € pro Quadratmeter in Berlin.

Aber nicht nur der Preis ist geradezu „unschlagbar“: Wohnungsbaugenossenschaften spielen durch ihren Gemeinnützigkeitsauftrag eine tragende Rolle. Sie sind private Unternehmen ganz besonderer Form.

Das „ganz besondere Unternehmen“ - Genossenschaften für das Gemeinwohl

Die „ganz besondere Form“ betonte Barbara Neumann-Cosel in ihrer Darstellung der Potentiale der Wohnungsbaugenossenschaften. Frau Neumann-Cosel ist Geschäftsführerin des in Mariendorf ansässigen Berliner Genossenschaftsforums e.V. Der gemeinnützige Verein ist vor allem eine Forschungseinrichtung zu Charakteristika und Chancen genossenschaftlichen Bauens. Ihr Leitspruch setzt dabei auf Aktualität und Flexibilität: „Die genossenschaftliche Form ist kein feststehendes Modell, sondern gelebte Form und muss immer wieder neu interpretiert und angepasst werden“ (Klaus Novy). Ein Projekt, das nicht neu ist in der Landschaft des Wohnungsmarktes.

Genossenschaftliches Bauen ist kein politisches Novum

Genossenschaftliches Bauen scheint viele Vorteile zu bergen. Tatsächlich ist es kein neuer Ansatz, sondern vielmehr eine Renaissance eines verschütt gegangenen Gedankens. Denn Wohnungsgenossenschaften existieren in Deutschland in großer Form schon seit 1889. Genossenschaften wirtschaften anders. Barbara Neumann-Cosel stellte in ihrer Präsentation (siehe unten) heraus, dass Genossenschaften private Unternehmen sind. Sie müssen wirtschaftlich arbeiten, allerdings nicht wie herkömmliche Unternehmen mit dem Zweck, Rendite zu machen. „Der Zweck ist darauf gerichtet, den Erwerb oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern“, zitierte die studierte Volkswirtin aus dem Genossenschaftsgesetz. Es geht um die solidarische Förderung der Mitglieder.

Ein weiterer enormer Vorteil von Genossenschaften ist die Stabilisierung des Wohnungsmarktes. Die Verwertung der Wohnungen wird im Sinne der nachhaltigen Bestandsbewirtschaftung durchgeführt. Bestandsmieten sind attraktiv und orientieren sich am Ertragswert: Wohnungsbaugenossenschaften bieten Wohnungen mit einem Berliner Durchschnittspreis von 5,05 € pro Quadratmeter. Damit wird einem Problem begegnet, auf das Klaus Mindrup nachdrücklich hinwies: „Wir sehen vor allem die problematische Entwicklung, dass sich die Preise zunehmend vom Ertragswert abkoppeln. Der Preis muss wieder an den Ertrag gekoppelt werden“. Das dies bei gleichzeitig schuldenfreiem Wirtschaften möglich ist, machen Genossenschaften vor. Und es gibt noch weitere Potentiale.

Bürgerschaftliches Engagement und Unterstützung unterschiedlicher Lebensformen

Ein zentraler Aspekt des genossenschaftlichen Gedanken ist die Berücksichtigung der individuellen Lebensformen der Genossenschaftsmitglieder. Neben der demokratischen Beteiligung und der Schaffung sozialer Angebote für Mitglieder werden die unterschiedlichsten Wohn- und Lebensformen unterstützt.

Angesichts einer Gesellschaft des längeren Lebens und der Notwendigkeit der Stärkung einer teilhabeorientierten inklusiven Gesellschaft sind diese Ziele wegweisend. Vielen Genossenschaften gelingt es auf die Bedürfnisse der Menschen einzugehen. Auch Ingo Siebert bestätigte nach seinen zahlreichen Gesprächen mit Menschen in Marienfelde, dass diese genau dieses wollten. Dies gelte vor allem für ältere Menschen und für Familien mit Kindern. Gerade für sie sei es schwierig, eine Wohnung mit erschwinglichen Mieten zu finden.

Der Bedarf an politischer Reaktion auf den Wunsch nach unterschiedlichen Wohn- und Lebensformen wurde auch in der Diskussion mit den vielen in Marienfelde lebenden Personen deutlich. Die TeilnehmerInnen unterschiedlicher Altersgruppen berichteten von den positiven und vor allem unterstützenden Aspekten genossenschaftlichen Wohnens, die ihnen sehr wichtig sind. Gerade auf Veränderungen der Lebensumstände, beim Älterwerden beispielsweise, müssen Wohnformen angepasst werden, um den jeweils neuen Bedürfnissen zu begegnen.

Berlin verfolge zwar eine Baupolitik der Barrierefreiheit, angemahnt wurde aber dennoch, dass noch viel mehr unternommen werden müsse, um mehr behindertengerechtes Wohnen zu ermöglichen. Barbara Neumann-Cosel wies auf eine Wohnungsbaugenossenschaft in Neukölln hin, die sich gerade damit befasse.

Kein Tropfen auf dem heißen Stein bleiben

Genossenschaften können passgenaue Konzept für ihre Mitglieder entwickeln. Aufgrund des fehlenden Renditestrebens fehle es aber häufig an einem Wachstumsmotor. „Genossenschaften haben als selbstversorgende Gemeinschaften nur geringe Wachstumsimpulse - es werden mehr externe Wachstumsanreize benötigt. Denn die Stadt braucht Genossenschaften“, so Barbara Neumann-Cosel. Insgesamt gibt es bereits 1.600 genossenschaftliche Wohnungen in der Großsiedlung Marienfelde. Dieses entspricht 38 Prozent des dortigen Wohnungsbestandes. Dieser hohe Anteil in Marienfelde ist außergewöhnlich: In Berlin sind es durchschnittlich 10 Prozent. Genossenschaften üben eine erhebliche solidarische und stabilisierende Wirkung auf den Wohnungsmarkt aus. Doch leider sind die von den Wohnungsbaugenossenschaften ausgehenden zusätzlichen Wachstumsimpulse im Moment nur „Tropfen auf dem heißen Stein“.

SPD: Gute Politik für die Berlinerinnen und Berliner

Die Veranstaltung „Wem gehört die Stadt?“ verdeutlichte allen: das Thema bezahlbarer Wohnraum steht ganz oben auf der Agenda der SPD-Bundestagsfraktion und der SPD Berlin. Wir SozialdemokratInnen machen uns stark für die Schärfung der Mietpreisbremse, für eine Absenkung der Modernisierungsumlage, für sozialen Wohnungsbau, für den besseren Schutz der MieterInnen in unserer Stadt. Das ist gute Politik für die Berlinerinnen und Berliner.

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160613 Vortrag Neumann Cosel.ppt5.62 MB