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„Ich höre raus, dass es Ihnen wichtig ist und das finde ich gut!“- Studierende der Katholischen Hochschule NRW zu Gast im Bundestag

„Wie holen Sie sich Bodenständigkeit, Frau Rawert?“ lautete die letzte Frage am Schluss einer Diskussionsrunde mit 63 Studierenden der Katholischen Hochschule NRW: „Durch viele Gespräche mit Bürger*innen in sehr verschiedenen Lebenslagen in meinem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. Durch Gespräche mit Menschen, die durchaus auch andere Haltungen haben als die meine. Durch die Lust an einer konstruktiven Auseinandersetzung und wohl auch durch mein Naturell.“, so meine Antwort. Die Aussage, dass bei meinen Aussagen deutlich erkennbar wurde, wofür ich stehe, und dass mir das Politikmachen erkennbar Spaß macht, hat mich gefreut. Die Studierenden und ihre Lehrkräfte haben mich also als vertrauenswürdige und glaubwürdige Frau und Politikerin wahrgenommen - ein größeres Lob kann eine Politikerin ja kaum bekommen.

Die Studierenden des Fachbereiches Gesundheitswesen der Katholischen Hochschule NRW hatten mich am 12. Januar 2017 im Paul-Löbe-Haus besucht. Sie nahmen am Seminar „Das soziale System Deutschlands in Verfassung und Gesetzgebung“ der Arbeitsgemeinschaft Staat und Gesellschaft e.V. und dem Bildungswerk des Deutschen Bundeswehrverbandes Karl-Theodor-Molini-Stiftung teil. Dieses soll den Teilnehmenden politische Konzepte der Gestaltung des Sozialstaates und Entscheidungsprozesse der politischen Willensbildung transparent machen. Ich freue mich, zu dieser schon fast traditionellen Diskussion bereits zum 10. Mal eingeladen worden zu sein. Ich danke Dr. Michael Rudloff, Prof. Dr. Volker Großkopf und Dr. Kai Dreisbach für die Organisation.

Der Fachbereich Gesundheitswesen der Hochschule bietet drei Bachelor- und drei Masterstudiengänge an: Pflegewissenschaft und Hebammenkunde sowie der duale Studiengang Pflege schließen mit dem Bachelor of Science ab. Wer sich für Pflegemanagement, LehrerInnen Pflege und Gesundheit, Schulleitungsmanagement oder in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung immatrikuliert, beendet sein Studium mit dem Master. Die meisten Studierenden sind Mitarbeiter*innen aus dem Gesundheitswesen und der Pflege, die sich für eine leitende Tätigkeit im Gesundheitswesen qualifizieren wollen.

Als Mitglied des Ausschusses für Gesundheit und Berichterstatterin für die Soziale Pflegeversicherung bin ich immer auf eine intensive Diskussion mit vielen Fragen zu aktuellen Gesundheits- und Pflegethemen gespannt. Die Studierenden bewegte vor allem die Themen generalistische Ausbildung in der Pflege, der Fachkräftemangel und die solidarische Bürgerversicherung.

Die generalistische Ausbildung - werden die einzelnen Berufe „untergebuttert“? Nein!

Besonderes Interesse galt dem aktuellen Sachstand des Pflegeberufereformgesetz. Mit dem Gesetz sind eine einheitliche generalistische Pflegeausbildung sowie der Aufbau akademischer Strukturen in der Pflege intendiert. Die bisherigen drei Ausbildungen zur (Kinder-), Gesundheits- und KrankenpflegerIn sowie zur AltenpflegerIn sollen zu einer gemeinsamen „generalistischen“ Ausbildung mit einem einheitlichen Berufsabschluss zusammengeführt werden. Damit soll die Grundlage für einen modernen, attraktiven und zukunftsorientierten Pflegeberuf geschaffen werden, der den Bedürfnissen der Menschen in jeder Lebensphase auch in Zeiten des demografischen Wandels entspricht. Mit der breiten Grundausbildung und einem anschließenden adäquaten Fort- und Weiterbildungssystem werden mehr Handlungskompetenz und ein breiteres Gesamtwissen aller generiert. Dies trägt zu mehr Flexibilität der Pflegefachkräfte bei.

Fachkräftemangel - was tut die Bundesregierung dagegen?

Unter anderem aufgrund der Zunahme älterer Menschen im Rahmen des demografischen Wandels und den zahlreichenden belastenden Herausforderungen des Pflegeberufes, existiert ein steigender Fachkräftemangel. Die Gesundheitsfachkräfte spüren die Folgen tagtäglich. Sehr problematisch ist, dass junge Pfleger*innen oftmals nach der Ausbildung binnen 5 Jahren das Berufsfeld wechseln. Gerade verbleibende, zumeist ältere Mitarbeiter*innen, fühlen sich vielfach „ausgebrannt“. Was tut die Regierung, um hier Abhilfe zu schaffen und um die Pflege attraktiver zu gestalten?

  • Lohnsteigerungen

Bereits das Pflegestärkungsgesetz I (PSG I) versetzte die tariflich gebundenen Einrichtungen in die Lage, höhere Tariflöhne zu zahlen. Die Kassen sind gesetzlich zur Re-Finanzierung verpflichtet. Im Pflegestärkungsgesetz III wurden adäquate Regelungen für höhere Lohnzahlungen auch in nicht tariflich gebundenen Einrichtungen geschaffen.

  • Personalbemessung

Zum Thema Personalbemessung hat der Deutsche Bundestag beschlossen, ein Expert*innengremium zu berufen. Dieses ist vom Gesundheitsminister auch bereits ins Leben gerufen worden. Aufgabe ist, bis 2020 auf der Grundlage vorheriger Modellprogramme entsprechende Lösungen vorzuschlagen.

  • Erweiterung des pflegerischen Betätigungsprofils

In einem der Studiengänge hat auch ein Vergleich des spanischen und deutschen Betätigungsprofils der Pflegekräfte stattgefunden, erklärte Prof. Dr. Volker Großkopf. Die spanischen Pflegekräfte geben an, über deutlich mehr Handlungskompetenzen zu verfügen. Sie zeigen sich über viele der Einschränkungen der pflegerischen Vorbehaltsaufgaben für deutsche Kolleg*innen sehr verwundert. Ich unterstütze die Aussage, Pflege müsse sich aus der „ärztlichen Umklammerung“ lösen. Pflege und Medizin müssen im Interesse der Patient*innen und Pflegebedürftigen auf Augenhöhe agieren. Ein eigenes Profil steigert die Attraktivität des Berufes und stärkt das Selbstbewusstsein der Pflegefachkräfte.

  • Generalistische Ausbildung / akademische Strukturen

Die Reform der Pflegeausbildung selbst steigert die Attraktivität des Pflegeberufes. Gestärkt wird zugleich die Durchlässigkeit zwischen Bildungsebenen aber auch zwischen Tätigkeitsfeldern in der Pflege. Erhöht wird darüber hinaus die Chance, im Berufsfeld Pflege, gesund bis zur Rente zu verbleiben.

„Ich bin Anhängerin der Bürgerversicherung“

Ebenfalls großes Interesse zeigten die Studierenden für das Thema solidarische Bürgerversicherung. Die Bürgerversicherung schafft die Voraussetzung für mehr Gerechtigkeit, für eine bedarfsgerechtere gesundheitliche Versorgung, für mehr Nachhaltigkeit und Demographiefestigkeit bei der Finanzierung. Sie ermöglicht auch notwendige Reformen zur Verbesserung von Qualität und Effizienz der gesundheitlichen Versorgungsangebote und ist ein Weg aus dem derzeitigen Wettbewerb um gute Risiken einerseits und einem dominanten Preiswettbewerb mit dem Ziel Zusatzbeiträge zu vermeiden, andererseits.

Die SPD hat mit ihrem Konzept für eine Bürgerversicherung eine breit getragene Finanzierungsalternative für das Gesundheitswesen entwickelt. Dabei werden wir von Wohlfahrtsträgern, Sozialverbänden, Gewerkschaften und auch anderen Parteien gestützt. Einzelne Elemente sind unter anderem:

  • Die Modernisierung der Versorgungsstrukturen sowie die Förderung der Prävention sollen über Steuern finanziert werden, da es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. Daran müssen sich Länder und Bund stärker beteiligen.
  • Arbeitgeber*innen bzw. die Rentenversicherung zahlen jeweils die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags. Ein Zusatzbeitrag wird nicht erhoben.
  • Die unterschiedlichen Vergütungsordnungen der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und den Privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) werden in eine einheitliche Vergütungsordnung überführt.
  • Das Wahlrecht einer Krankenversicherung wird unabhängig vom beruflichen Status und vom Einkommen für alle Bürger*innen in gleicher Weise gewährleistet.
  • Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung wird auf das Niveau der Rentenversicherung erhöht. Der Beitragssatz für alle wird entsprechend gesenkt.

„Organisiert Euch!“

Eine Studentin kritisierte, dass der Anspruch an die professionell Pflegenden ständig steige, für diese selbst aber nach wie vor zu wenig getan werde. Pflege ist harte Arbeit und hat auch hohe Belastungsmomente. Für mich ist es daher nicht verständlich, dass sich - wie im gesamten sozialen Dienstleistungssektor – nur wenige der Beschäftigten in Gewerkschaften, in Fachverbänden - oder auch Pflegekammern - organisieren. Eine Abfrage ergab, dass auch in dieser engagierten Studierenden-Gruppe lediglich ein gutes Viertel Mitglied größerer Interessensgruppierungen ist. „Die Pflege nimmt gern die Opferrolle ein“, warf Prof. Dr. Volker Großkopf ein, es müsse hier etwas passieren. Angeregt wurde noch, bei Überlastungen offiziell Gefährdungsanzeigen abzugeben und auch die Personal- bzw. Betriebsräte zu stärken.